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Morpheo-Kurzprosa-Preis
Ausschreibung
Mit der Ausschreibung des Morpheo-Kurzprosa-Preises verfolgt der Verlag das Ziel einen Literaturpreis ins Leben zu rufen, der zeitlich und inhaltlich flexibel ist. Verliehen wird der Preis einmal jährlich, entweder anläßlich eines kulturellen Ereignis oder einer Veranstaltung, an der Morpheo beteiligt ist oder - sollte sich kein geeigneter "event" anbieten - anläßlich des Verlagsgeburtstages am 5. Oktober.
Kann die Ausschreibung innerhalb einer kulturellen Veranstaltung erfolgen, so wird sich die inhaltliche Vorgabe mit dem Konzept oder dem Anspruch der betreffenden Veranstaltung auseinandersetzen. Gibt es keinen konkreten Anlaß, wird ein übergeordnetes Thema gesucht.
Teilnahmebedingungen
Alle sind teilnahmeberechtigt. Name und Anschrift sollten nicht auf dem Manuskript erscheinen, sondern separat beigelegt werden. Feststehend ist der Text-Umfang der einzureichenden Beiträge. Maximale Länge sind zwei Manuskriptseiten zu 30 Zeilen a 60 Zeichen. Insgesamt also 3.600 Zeichen und keines mehr! Abgabeschluß ist 10 Tage vor der Verleihung. Später eingereichte Texte werden nicht berücksichtigt.
Juroren
Die aufrichtigen und gegen jede Form der Bestechung gefeiten Juroren werden vom Verlag ausgewählt und erst kurz vor Ausschreibungsbeginn bekannt gegeben.
Der Preis
Der Preis ist eine sogenannte "Wandertrophäe" und besteht in einem Exemplar der Spezial-Edition des Kurzprosa-Bandes "Tanne & Quadrat" von Claudius Hagemeister.
Unter Zuhilfenahme eines hochaufwendigen und teuren Doppeldruckverfahrens mit unterlegter Triple- und Quadro-Transparenz-Grundierung haben unsere Techniker ein bibliophiles Meisterwerk geschaffen, mit dem der Preisträger voll Stolz in seinem Freundes- und Bekanntenkreis Neid und Bewunderung erwecken kann.
Die zwei in den Band integrierten Blanko-Zusatzseiten schufen Raum für den namentlichen Eintrag des Preisträgers in das Buch. Der Kostenintensität dieser Trophäe Rechnung tragend hat sich der Verlag gegen einen den Charakter verderbenden Geldpreis entschieden.
Die Verleihung
Ort und Termin der Verleihung sind flexibel und werden jeweils kurz vor Beginn der Ausschreibung bekannt gegeben. Der Preisträger bekommt auf Wunsch die Gelegenheit dem anwesenden Publikum den Siegertext vorzulesen, anschließend erfolgt die feierliche Übergabe der Trophäe und ein nicht enden wollendes Blitzlichtgewitter der anwesenden Presse-Organe.
Preis und Preisträger des Jahres 2000. Ein Rückblick
Am 20. August des Jahres 2000 war es soweit: Zum ersten Mal konnte der Morpheo-Kurzprosa-Preis verliehen werden. Doch bis zur feierlichen Überreichung der Trophäe an den Überraschungssieger Arnd Groß war es ein weiter Weg. Es begann mit folgender Ausschreibung:
"Im Kontext von 'Z2000 - Positionen junger Kunst und Kultur' (Akademie der Künste zu Berlin) wird zum ersten Mal der Morpheo-Kurzprosa-Preis ausgeschrieben, der sich in diesem Jahr inhaltlich mit den zahlreichen Konzept-Ansätzen interdisziplinär-kulturesk-multipler Mega-Events auseinandersetzt besser:
Um zum einen der prozeßhaften patch-work-Struktur zeitgenössischer Kunst- und Kulturbewegungen einen stabilisierenden Kontrapunkt entgegenzustellen, zum anderen der epochalen Bedeutung des Jahres 2000 gerecht zu werden und darüberhinaus der neu-medialen Komprimierungs- und Samplerwut zu entsprechen, ist nichts weniger als ein auf zwei Manuskriptseiten komprimiertes Epos gefordert. Manuskriptseite bedeutet 30 Zeilen zu 60 Zeichen!!
Eingereicht werden können Manuskripte vom 15. Juli bis 20. August innerhalb der Ausstellungszeit der 'present representation'. Als kritische Juroren haben sich Claudius Hagemeister (Autor), Bodo Mrozek ( freier Journalist/FAZ und Tagesspiegel) und Ulf Geyersbach (freier Lektor) zur Disposition gestellt."
Als Hilfestellung wurde den Teilnehmern eine Definition anempfohlen:
"Epos (griech.; Wort, Erzählung, Lied, Gedicht), Großform erzählender Dichtung (Epik) in gleich gebauten Versen oder Strophen und meist in Gesänge oder ähnliches untergliedert. In epischer Breite erzählt, hat das Geschehen im Epos doch einen zentralen Helden oder Leitgedanken. Dafür sorgen die Wiederkehr von Kernsätzen und Hauptmotiven, gehobene, teils formelhafte Sprache, der Anruf von Göttern, Musen oder Ahnen, der Vorrang bedeutsamer Ereignisse: Stadt- und Staatsgründungen, Feste, Heerschauen, Ansprachen und Streitgespräche, Kämpfe und Eroberungen, auch Katastrophen. Das Epos entstand zur Reifezeit früher Kulturen im Übergang von mythischer Weltsicht zum je eigenen Geschichtsbild eines Volkes oder doch seiner herrschenden Schichten. Auf ihre hierarchische, oft feudale Struktur bezieht es sich mit Heroengestalten göttlicher Abkunft oder unter göttlichem Schutz, die sich in der menschlich-geschichtlichen Welt als Herrscher oder Krieger, Retter oder Opfer zu bewähren haben und zum Vorbild werden."
Obwohl der Ausschreibungstext Befremden, mitunter sogar Ratlosigkeit und Unverständnis hervorrief (vgl. FAZ vom 22.8.2000), gingen zahlreiche Einsendungen unterschiedlichster Qualität beim Verlag ein. Die Wahl des Siegertextes jedoch war klar und einstimmig: Sie fiel auf das finnisch motivierte "Epolette" (Genre-Vorschlag von Juror Geyersbach) unter dem Titel "Finn-Jet" oder "Ach Rot" des Debut-Schreibenden Arnd Groß, welches unter dem Pseudonym Veli Etelaeniemie eingereicht und abschließend auch vorgetragen wurde. Der Verlag bedauert es nachhaltig, daß ihm aufgrund einer Verkettung unglücklicher Umstände kein fotografisches Zeugnis der beeindruckenden Lesung Velis vorliegt. Der Siegertext soll an dieser Stelle jedoch nicht vorenthalten werden; wir bemühen uns um die Bereitstellung als pdf - solange auf diesem Wege: Der Siegertext 2000!
"Finn-Jet" oder "Ach Rot", ein komprimiertes Epos von Arnd Groß
Liebe Frau Grappmann, mein Name ist Veli aus Suomi. Ich war forschendes Mitglied der längst verschollenen Akademie der Pathologie des Sozialen. Freunde, die sich nicht verleugnen lassen, machten mich auf Ihre Ankunft in diesem Land aufmerksam. Pakara heißen in Finnland die tragbaren Telefone (nicht zu verwechseln mit Suomis Exportschlager Nr. 2 Pakari, den in Südostasien heißgeliebten Folienschweißgeräten). Mein Pakara schellte jüngst zu Pfingsten und erteilte mir folgende Auskunft: "Man braucht Dich in Kuopi!" Kuopi, dachte ich bei mir, mit wenig Leidenschaft, mit Gleichmut, ohne verletzt zu sein, kein Jammern, kein Wimmern. Brutal hatte ich es mir immer vorgestellt. Ich wollte zusammenbrechen. ICH! , schreien, WARUM ICH!, schreien und Gottes Welt verfluchen.
Kuopi liegt in der Mitte Finnlands, ein Ort an den sich keine normale finnische Frau wagt. In Kuopi steht die größte Rentierschlachterei Europas. Es riecht nach Tierblut allüberall. Die Lappen treiben zu allen warmen Jahreszeiten ihre Herden nach Kuopi; ein unaufhörlicher Strom gegen den Wind äsender Rene schreitet zur Schlachtbank und wird Teil eines zugegebenermaßen imposanten Schlachtfestes. Das Blut färbt die Gassen und die Gossen rot, danach die Bäche und die Seen, Millionen von Kubikmetern roten Renblutes. Kuopi kein Ort zum Leben, kein Ort zum Lieben, ein Ort zum Sterben. Warum aber auf die Aufforderung einer unbekannten Stimme am Pakara hin nach Kuopi fahren? In Finnland ist die Wahrscheinlichkeit nicht sehr groß, von einer unbekannten Person angerufen zu werden. Und ich wußte nicht, zu wem diese Stimme hätte anders passen sollen als zu der Göttin, die wir finnischen Frauen nur aus der Sage kennen. Volvä heißt der Sage nach die Fee, die die Frau zu ihrer Bestimmung ruft. Ein Witz, wie jede finnische Frau glaubt: Meine Freundinnen meinten, Bestimmung sei der Volvo des Gatten, den man besteigt. Heute kann ich darüber lächeln, denn die Stimme gehörte Volvä. Und wie jede finnische Frau folgte ich ihr, da sie mich rief.
Nur Frauen arbeiten in Kuopi Wir die Vestalinnen Volväs. Wir lassen die Rene zappeln, zerteilen sie und verwursten ihre Körper. Ihr Saft ist die Basis unserer Schminke, ihre Zehen und Knochen Grundstoffe unseres Schmuckes. So schön ist er, daß wir Gold nicht brauchen. Es gibt keine Hierarchie, jede kann alles. Es ist nicht schwer. Es ist und das wird sie vielleicht verstören angenehm hier zu leben. Wir schlachten und schlachten und wursten und wursten und keine neidet der anderen den Posten. Wir töten unsere Rene, wir massakrieren sie und sind gleich. Gleich in unserem Rausch. Mag die Welt glauben, Finnen sind Trinker, wir Frauen aus Kuopi wissen es besser. Die Alten unter uns, die zu schwach für die schweren Kadaver sind, brauen ein Getränk. Für die Erlangung des Rohstoffs gehen sie in den Wald und sammeln den Kivekäs, einen Lärchenborkenwurm, der seine Gelege nur im Juli und August verläßt. Dieser sondert einen Schleim ab, der getrocknet und in kleine Beutel gefüllt, einen formidablen Teesud erzeugt. Der Sud, getrunken am morgen, erzeugt einen Rausch, wie Sie sich ihn nicht vorstellen können.
Ich lege alles ab. Ich bin nackt. Es ist, wie als säße man in einem rasenden Schulbus, der sich in eine Schneeverwehung bohrt. Du wirst herausgeschleudert in eine finnische Landschaft. Aber die dritte Dimension geht verloren. Die Birken sind nur aus Pappe, scheint es und die Elche wirken wie aus einem Ikeakatalog ausgeschnitten. Ich umlaufe die Seen, in die ich keinen Stein werfen kann, er würde auf ihnen liegen bleiben. Alles ist nur noch Fläche. Die Zeit, die dabei vergeht ist eben. Nicht schnell nicht langsam nicht hoch nicht tief eben eben. Es tritt, stets zum selben Zeitpunkt ein schöner Jüngling hinter einer Birkenscheibe hervor, er trägt ein Geweih. Ich bin verliebt in ihn. Er haßt mich. Er nimmt mich, er schändet mich, wie macht er das, der Pappkamerad? ich weiß es nicht. Ich nehme die Papierschere und zerschneide sein Geweih und klebe es in mein Poesiealbum. Dann gehe ich zur Arbeit in einer anderen Dimension. Ich starte das Pakari, schweiße blutig rote Würste in Folien. Kommen Sie mich besuchen, in Kuopi Frau Grappmann. Kommen Sie!
Ihre Veli Etelaeniemi
Der Morpheo Verlag beglückwünscht den Sieger Arnd Groß und dankt allen Teilnehmern für ihre Einsendungen. Das Thema des diesjährigen Wettbewerbes lautet: Hysterie 2001. Genaue Ausschreibung folgt, machen Sie sich Gedanken.
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